Olaf Henning

Olaf Henning

Es gibt in Deutschland mit Sicherheit kaum einen Schlagersänger, der bodenständiger ist als Olaf Henning. Der Mann aus dem Ruhrpott trägt das Herz auf der Zunge, wahrscheinlich auch eines seiner Erfolgsrezepte. Obwohl er niemals zugeben würde, seine Karriere überhaupt ansatzweise geplant zu haben. „Natürlich bin ich ein Spätzünder, meine erste Single habe ich mit 30 Jahren veröffentlicht, aber dadurch bin ich auch nie in die Versuchung gekommen abzuheben“, lacht der 46-Jährige. Und zu lachen hat er viel, denn die Frohnatur ist einer der erfolgreichsten seiner Art: Mit knapp 1,5 Millionen verkauften Tonträgern gehört er zu den Top-Stars seiner Zunft. Und der gebürtige Gelsenkirchener ist auch dafür verantwortlich, dass der deutsche Schlager, wenn man ihn denn noch so nennen kann, ein Revival seinesgleichen feiert. Da passt es wie die Faust aufs Auge, dass er sich nun endlich einen Traum erfüllt: Der Erfinder des Popschlagers hat sich auf seine Wurzeln besonnen und mit „Alles was ich immer wollte“ ein Album produziert, das modernen Schlager mit Rock kombiniert. Eine unmögliche Sache? Zwei Welten, die nicht zusammen passen? Weit gefehlt! Henning wäre nicht Henning, wenn er nicht auch dieses Projekt mit dem entsprechenden Selbstbewusstsein angegangen wäre.

Denn im Prinzip hat er diesen Traum schon lange: Der gelernte Schlagzeuger beginnt seine Karriere Mitte der Achtziger als Mitglied von Phänomenal, einer NDW-Coverband. „Wie sich das gehört, mit sechs Hänge-Toms. Vorbild war ganz klar Barclay James Harvest. Man konnte direkt schön hinter den Drums verschwinden. Da konnte man machen, was man wollte.“ Ab und zu geht er nach vorne, um die Stimmung anzuheizen und „dem Sänger zu zeigen, dass Singen alleine nicht reicht“. Für Henning bleibt aber das Schlagzeug das wichtigste Instrument, weil es den Takt vorgibt.

An dieser Einstellung hat sich nichts geändert, irgendwann stellte sich der Phil Collins-Effekt ein, „ich musste nach vorne.“ Im Elternhaus werden die musikalischen Gehversuche unterstützt, er habe nicht „wie andere mit der Mofa an der Tanke abgehangen“. Bevor das Hobby zum Beruf werden kann, muss aber eben ein solcher her. „Ein Ingenieur-Studium kam für mich nicht in Frage, also habe ich bei einer Versicherung als Kaufmann angefangen.“ Krisensicher, aber trotzdem ausbaufähig. Am Wochenende spielt er mit der Coverband, bis er eines Tages auf einer Party Ende der Neunziger merkt, dass es im Schlagerbereich bis auf die Siebzigerjahre-Klassiker und Wolfgang Petry nichts Neues gibt. „Ich konnte es nicht mehr hören, da musste doch etwas passieren. Ein neuer deutscher Schlager, das musste doch möglich sein.“

Sein erster eigener Song ist gleich ein Hit. „Ich bin nicht mehr dein Clown (die Manege ist leer)“ schlägt ein wie eine Bombe. „20 Minuten für die Musik, 20 Minuten für den Text, fertig war das Ding“. Die ersten Eigenpressungen laufen in Mallorca in jeder Disco, das Ganze breitet sich aus wie ein Tsunami, es folgt ein Plattenvertrag, der Rest ist (Schlager-)Geschichte.

Seinen erfolgreichsten Coup landet Olaf Henning, der übrigens niemals daran dachte, sich ein Pseudonym zuzulegen, 2007 mit „Cowboy und Indianer“. Der „Lasso-Song“ ist einer der wenigen deutschen Welthits. „Ich habe das Lied schon in Holland gesungen und in Skiorten, wo selbst Japaner vor der Bühne mitsangen. Wenn dann sogar eine Kinderskischule im Publikum ist, gebe ich den Kids das Mikro und trinke mit den Eltern ein Bier.“

Und genau das könnte jetzt wieder möglich sein, aber wahrscheinlich eher auf der Bühne, denn mit „Alles was ich immer wollte“ wagt Henning den großen Crossover-Schritt vom Pop- zum Rockschlager. In einer Zeit, in der ein blonder Sänger mit Sonnenbrille Heavy Metal-Versionen seiner größten Hits herausbringt und eine andere blonde Sängerin spektakuläre Stadionkonzerte Marke Pink spielt, ein logischer Schritt. Aber der Titel ist hier wesentlich ernster zu nehmen, denn das Konzept schwirrt schon sehr lange im Henning-Kosmos herum: „Ich nerve meinen Produzenten schon seit Jahren im Studio mit der Idee, hier und da eine geile Gitarre mit einzubauen und mit meiner großartigen Band live aufzunehmen.“ Schon 2011 hatte er die Nummer „Ungewöhnlich“ im Programm, „aber die Leute wollten es nicht, das war einfach zu früh“. Wie heißt es so schön: Jetzt ist die Zeit reif.

„Man kann gute Musik normal verpacken, aber auch ein goldenes Schleifchen herummachen. Und genau das habe ich gemacht. Ich habe mich weiterentwickelt. Man kann über Liebe singen, man kann aber auch über Liebe singen. Man kann sich Gedanken über gute Texte machen, man kann sich aber auch sehr viele Gedanken über gute Texte machen.“

So geschehen zum Beispiel auf der ersten Single des Albums, „Das war echt ´ne geile Zeit“. Ein Stück, das schon jetzt zum festen Bestandteil seines Live-Programms geworden ist. „Damit identifizieren sich viele Menschen. Ich frage vorher auf der Bühne immer, wer bis jetzt, bis auf die leichten Schicksalsschläge, die jeder kennt, eine geile Zeit gehabt hat. Bei der Nummer drehen dann alle durch, auch die Älteren, die in Erinnerungen schwelgen. Das ist mein Ziel, ich möchte nicht nur die Jugend ansprechen und in den Bann ziehen, sondern auch die Älteren mitnehmen.“ Deshalb gibt es auf „Alles was ich immer wollte“ auch nicht nur komplett neue Stücke, sondern auf der zweiten CD auch sechs der alten Hits im neuen Gewand; und auch das kommt an. „Wenn ich `Die Manege ist leer´ mit der Status Quo-Gitarre beginnen lasse oder ´Herzdame´ als eine Mischung aus ZZ Top und Dire Straits spiele, dann bleiben die Leute bei mir, sie gehen nicht raus. Wenn man 45 Minuten lang nur Popschlager spielt, dann gehen viele zwischendurch nach draußen. Jetzt bleiben sie da, weil die Mischung stimmt. ´Game Over´ gibt es sogar als Reggae-Version.“

Olaf Henning hat sich quasi neu erfunden, man merkt dem Entertainer an, wie sehr er es genießt, dass die neue Marschroute ankommt. „Es ist schon Luxus, eine einzige Show nur mit Knallern zu machen. Das schafft nicht jeder.“ Für dieses Ziel habe er aber auch hart gearbeitet, betont er. Härter als für das technisch aufwändige Vorgänger-Album „Jetzt oder nie“ (2013, ein Duett mit dem verstorbenen Ibo), das in Deutschland auf Platz 28 landete. „Wir haben uns diesmal viel Zeit gelassen und nichts überstürzt“, betont er. „Mit Klischees kannst du mich jagen.“

Da ist zum Beispiel „Dein altes Foto“, eine ruhige, tiefgründige Nummer, bei der sich Pärchen in den Armen liegen. Ein Kontrast zum ewigen „Hände zum Himmel“-Alarm und für Henning eine Herzensangelegenheit. „Ich bin reifer geworden und nicht mehr der Ballermann-Sänger, da wurde es Zeit, in diese Richtung zu gehen. Mein Team hat meine Vorgaben großartig umgesetzt. Da ist nichts hingerotzt, sondern jeder Song lag so oft auf dem Prüfstein, dass man fast von einer schwierigen Geburt sprechen kann.“ Dass dann dabei solche Perlen wie „Multimillionär“ herausgekommen sind, kann nur von Vorteil sein. Wenn man neben dem Rock auch noch die Ironie in den neuen deutschen Schlager einführen kann, ohne dabei auch nur ansatzweise peinlich zu werden, dann ist vieles Weitere möglich. „Ich bin bekannt für meine Seitenhiebe und es ist auch klar, wer gemeint ist. Ich bin eben nun mal Currywurstesser und gehe gerne in die Kneipe. Ich benutze keine Golfschläger, mache kein Bussi Bussi, mag keinen Champagner und keine herumprotzenden Menschen.“

Obwohl er als zweifacher Familienvater längst aus dem Alter heraus ist, passt auch eine Nummer wie „Ich brauche jetzt ein Backup“ perfekt zu Henning. „Das ist ein Stück für alle Leute, die gerne feiern. Und ich dachte mir, wie geil es wäre, wenn man nach einem Absturz nach Hause kommt und einfach den Finger in die Steckdose steckt und das System wieder auf null fährt.“

Ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Maßnahmen. Olaf Henning hat die Zeichen erkannt und ein Album mit Herzblut produziert, das es in dieser Form so noch nicht gegeben hat. Was steht auf seiner Homepage? „Olaf Henning hat mit ´ Die Manege ist leer´ den Pop-Schlager erfunden, also darf er auch so ein Album auf den Markt bringen.“

Andere Leute nennen sich König oder Kaiser, ich bin halt der Olaf und mache mein Ding.“

Apropos: Olaf Hennings Handy-Klingelton ist übrigens „Highway To Hell“. Das dürfte mehr als ein gutes Zeichen für „Alles was ich immer wollte“ sein.


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